Ombudsmannbeschwerde - Flughafen Wien

Seit 1998 wurde der Flughafen Wien-Schwechat durch eine Reihe unterschiedlicher Bauprojekte, welche allesamt von den österreichischen Behörden genehmigt wurden, erweitert und kundenfreundlicher gestaltet.
Da diese Genehmigungen jedoch ohne Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung („UVP“), deren Bestimmungen auf einer europäischen Richtlinie basieren (85/337/EWG), gewährt wurden, wandten sich im Jahr 2006 27 Bürgerinitiativen ("Beschwerdeführer") an die Europäische Kommission mit der Beschwerde, dass die österreichischen Behörden bei Ihren Baugenehmigungen nicht ausreichend auf nachteilige Folgen für Umwelt und Anrainerbevölkerung eingegangen wären. Die Kommission gelangte tatsächlich zu dem Schluss, dass die fraglichen Arbeiten laut EU-Richtlinie einer UVP unterzogen hätten werden müssen und eröffnete daher ein Vertragsverletzungsverfahren ("VVV") gegen Österreich.

Um die Versäumnisse zu beheben und da die strittigen Bauarbeiten zu diesem Zeitpunkt bereits nahezu abgeschlossen waren, vereinbarte die Kommission im Rahmen des VVV mit den österreichischen Behörden, dass diese eine ex post-UVP durchführen sollten, also eine nachträgliche Einschätzung der Umweltauswirkungen - insbesondere jener Auswirkungen, die durch den regulären Betrieb der neuen Anlagen entstehen würden. Zu dieser ex post-UVP legte die Republik Österreich der Kommission im Februar 2011 einen Schlussbericht vor, welcher beispielsweise Ausgleichmaßnahmen wie den Bau von zusätzlichen Lärmschutzvorrichtungen einforderte. Die Kommission zeigte sich mit dem Ergebnis dieser Überprüfung zufrieden und entschloss sich daher, das VVV gegen Österreich einzustellen.

Jedoch empfanden die Beschwerdeführer die Art und Weise, in der diese ex-post-UVP durchgeführt wurde, als Verletzung europäischen Rechts. Konkret kritisierten sie, dass

  • die für das maßgebliche UVP-Verfahren zuständige Behörde (Verkehrsministerium) dieselbe Behörde war, die ursprünglich Genehmigungen für die ohne UVP durchgeführten Arbeiten erteilt hatte und sich somit in einem offensichtlichen Interessenkonflikt befand.
  • sie, anders als in der maßgeblichen EU-Richtlinie vorgesehen (Artikel 10a), keinen Zugang zu einem gerichtlichen Berufungsverfahren gegen das Ergebnis der ex post-UVP hatten.

Aus diesen Gründen beschuldigten die Beschwerdeführer die Kommission, nicht ausreichend auf eine ordnungsgemäße Durchführung der ex post-UVP durch Österreich geachtet zu haben, und wandten sich daher an den Europäischen Bürgerbeauftragten ("Ombudsmann"), welcher den EU-Bürgern in solchen Fällen der schlechten Verwaltung von EU-Organen als Beschwerdestelle zur Verfügung steht. Nach einer Prüfung des Falls kam der Ombudsmann zu der Auffassung, dass die Argumente der Beschwerdeführer hinsichtlich der beiden oben genannten Punkte fundiert schienen. Um den politischen Druck auf die Kommission zu erhöhen, hielt er es daher für angemessen, den Fall vor das Europäische Parlament bzw. den dafür zuständigen Petitionsausschuss zu bringen.


Sonderbericht des Petitionsausschusses

Vor allem um aus diesem Fall die richtigen Lehren für die Zukunft zu ziehen, haben wir im Petitionsausschuss einen eigenen Sonderbericht zu dieser Ombudsmannbeschwerde im Plenum eingebracht.
In diesem Bericht, der im März 2013 mit großer Mehrheit angenommen wurde, galt es zunächst festzustellen, dass es im Laufe der zwischen Kommission und Österreich vereinbarten ex post-UVP zwar zu keinerlei konkreten Verletzung geltenden europäischen Rechts - weder durch die österreichischen Behörden, noch durch die Kommission - kam, jedoch wollten wir trotzdem konkrete Forderungen und Empfehlungen vorlegen:

  1. Um den Bedenken der lokalen Bevölkerung auf praktische und lösungsorientierte Art und Weise gerecht zu werden, haben wir die Kommission aufgefordert, die Umsetzung der aktuell durchgeführten UVP zur 3. Piste des Flughafens Wien weiterhin zu verfolgen, die Einhaltung der europäischen Vorgaben zu untersuchen und darauf zu achten, dass diese neue UVP vor allem hinsichtlich der für die Bürger zentralen Auswirkungen wie beispielsweise den Fluglärm in einer kumulativen Herangehensweise auch die vorhergehenden Bauarbeiten beurteilt.
    Im Übrigen sollte das Mediationsverfahren, welches im Vorfeld der UVP zu dieser 3.Piste durchgeführt wurde und als eines der größten Europas gilt, als Modell für ähnliche Projekte dienen mit dem Ziel die lokale Bevölkerung künftig noch früher und noch wirksamer in solche UVP-Verfahren einzubinden.
  2. Auf der europäischen Ebene wird zur Zeit gerade die betreffende UVP-Richtlinie überarbeitet. Diese Überarbeitung muss folgende im Zuge des Flughafen Wien-Falles als fehlerhaft erkannten Bereiche berücksichtigen und einer rechtlich sichereren und bürgerfreundlicheren Lösung zuführen:
    o die Objektivität und Unparteilichkeit der involvierten Behörden muss unmissverständlich garantiert werden
    o genau gesetzlich geregelte Bestimmungen für mögliche ex post-Verfahren müssen festgesetzt werden, damit man künftig nicht mehr wie im vorliegenden Fall auf rechtlich unsichere, improvisierte Vereinbarungen zurückgreifen muss.
  3. Da eines der Hauptprobleme während der erwähnten ex post-UVP die unzureichende Kommunikation der Kommission mit den Beschwerdeführern sowie mit dem Ombudsmann war, müssen solche Fehler künftig durch die Einführung einer allgemeinen Verordnung für Verwaltungsverfahrenunterbunden werden. Eine solche Verordnung würde allen EU-Institutionen genaue, rechtlich einklagbare Verpflichtungen in Ihrem täglichen Kontakt mit den Bürgern Europas auferlegen und könnte daher Dinge wie die zu späte Beantwortung einer Bürgeranfrage von vornherein unterbinden.


Insgesamt stellt der Ombudsmannbericht zum Flughafen Wien also unter Beweis, dass einzelne Bürger mit Ihren Anliegen in der EU sehr wohl Beachtliches erreichen können. Hier ist es Bürgerinitiativen gelungen, durch eine konkrete Beschwerde Missstände in der Verwaltung der EU-Kommission sowie Ungereimtheiten im betreffenden EU-Gesetz (UVP-Richtlinie) aufzudecken und so mit Hilfe des Petitionsausschusses - dem Bürgerausschuss des Europäischen Parlaments - dafür zu sorgen, dass sich die führenden EU-Institutionen nun um eine Verbesserung in diesen Bereichen bemühen müssen.