Wählen ab 16

Österreich ist das bis jetzt einzige Land in Europa, wo wählen ab 16 in allen Bereichen möglich ist. Ich bin darauf sehr stolz und engagiere mich auch auf europäischer Ebene dafür, dieses Konzept in die anderen Mitgliedsstaaten weiterzutragen.

Das Europäische Parlament hat zwar auf diesem Gebiet keine legislativen Kompetenzen, aber eine Diskussion kann Vorurteile abbauen und mit der Idee vertraut machen. Ein deutscher Abgeordneten-Kollege hat dazu treffend bemerkt: "Noch nie in der Geschichte der Demokratie hat eine Gruppe ihr Wahlrecht kampflos zugesprochen bekommen." Trotzdem wird es jedesmal nur wenige Jahezehnte später als absurd empfunden, dass diese Gruppen einmal nicht wählen durften - man beachte nur die Geschichte des Frauenwahlrechts.

 

 

Frei nach den Schriften der österreichischen Bundejugendvertretung möchte ich hier die gängigsten Argumente gegen "Wählen ab 16" entkräften:

 

1. "Junge Menschen wählen anders"

Das Argument der ungünstigen Parteipräferenz zeigt, dass auch demokratische Parteien demokratiefeindliche Positionen vertreten. Der Gedanke dahinter: Über die Wahlberechtigung einer jeweiligen gesellschaftlichen Gruppe soll der Stimmenerfolg gesteuert werden. Bis in die 70er Jahre gab es noch eine relativ starke Parteifixierung der WählerInnen. Bis dahin funktionierte das auch ganz gut. Heute ist die Bindung an eine Partei vergleichsweise gering. Am allgemeinen und gleichen Wahlrecht kann eine Partei in einem demokratisch verfassten Staat nicht rütteln. Übrig bleibt also das Argument der Altersgrenze.

 

2. "Junge Menschen sind unreif"

Dieses Argument beinhaltet eine pauschale, unbegründbare, prinzipielle Ablehnung der Wahlalterssenkung. Dazu kommen Vorbehalte hinsichtlich der moralischen und kognitiven Urteilsfähigkeit junger Menschen. Mit diesem Argument behaupten GegnerInnen der Wahlalterssenkung, dass die Persönlichkeitswahrnehmung und der Sozialisationsprozess bei Jugendlichen noch nicht so weit fortgeschritten seien, als dass die in der Lage wären, an einer politischen Wahl teilzunehmen. Erstens wird von keiner anderen Altersgruppe oder Wählerschicht erwartet, dass sie ein wie immer geartetes Reife-Kriterium erfüllen. Zweitens ist eine solche Forderung pädagogisch und demokratiepolitisch strikt abzulehnen. Psychologisch gesehen ist zudem die moralische und kognitive Entwicklung im Jugendalter, spätestens mit dem 14.Lebensjahr abgeschlossen. Ab diesem Alter kann man mit einer weitgehend autonomen Urteilsfindung junger Menschen rechnen.

 

3. "Junge Menschen dürfen anderswo auch nicht wählen"

Das Argument, dass Jugendliche anderswo auch nicht wählen dürfen, ist überholt, da bereits in einigen Staaten das Wahlrecht (auf regionaler Ebene) auf 16 Jahre gesenkt wurde und die Erfahrungen damit durchaus positiv sind.

 

4. "Junge Menschen sind manipulierbar"

Hinter diesem Argument verbergen sich zwei bereits erwähnte Argumente: Zum einen wird jungen Menschen damit unterstellt, dass sie politische Zusammenhänge nicht beurteilen könnten. Zum anderen steckt ein bereits oben angesprochenes Argument dahinter: nämlich das Argument der ungünstigen Parteipräferenz für die eigene Parteien, in einer neuen Version getarnt. Denn Wahlwerbung zielt immer darauf ab, potentielle WählerInnen aller Altersgruppen zu erreichen bzw. zu manipulieren. Wahlkämpfe und Kampagnen finden auf jeder gesellschaftlichen Ebene an den verschiedensten Schauplätzen statt, damit die Informationen auch tatsächlich die verschiedenen Wählerschichten erreichen und diese ihre Wahlentscheidungen treffen können.

 

5. "Junge Menschen fühlen sich selbst noch nicht reif"

Studien belegen, dass Jugendliche sich selbst großteils für reif genug, jedoch die anderen Jugendlichen eher für wenig politisch interessiert oder politisch unreif halten. Dieses gegenseitige Aberkennen von Kompetenz heißt aber nicht, dass man selbst mangelndes Vertrauen an der eigenen Urteilsfähigkeit hat.

 

6. "Jugendliche wählen eher radikale Parteien"

Hinter diesem Einwand steckt das Vorurteil, Jugendliche seien ethisch heruntergekommen und tendenziell zunehmend gewaltbereit. Der erste Vorwurf weist auf den permanenten Generationenkonflikt hin. Der zweite scheint gesellschaftliche Fakten zu bringen, die allerdings der Realität nicht entsprechen. Die Kriminalitätsrate junger Menschen liegt deutlich unter jener der Erwachsenen. Untersuchungen belegen, dass Jugendliche weniger häufig autoritär politische Einstellungen vorweisen als Erwachsene. Mit dem Argument, dass Jugendliche zu politischen Extrempositionen neigen und radikale Parteien bevorzugen, werden sämtliche Vorurteile auf Jugendliche übertragen.

 

7. "Jugendliche wollen doch selbst nicht wählen"

Mit diesem Argument (mangelndes politisches Interesse und Politikverdrossenheit der Jugendlichen in einem) arbeiten sowohl Gegner als auch BefürworterInnen. Das Wahlrecht alleine- ohne zusätzliche Initiativen- trägt sicherlich wenig zu einer Veränderung des politischen Beteiligungswillens der Jugendliche bei. Aber in der so genannten Politikverdrossenheit junger Menschen ein Argument zu sehen, die Wahlalterssenkung abzulehnen, ist jene Antwort, die für die etablierten Parteien am bequemsten ist, Missstände werden dadurch nicht andiskutiert und beseitigt. Studien belegen, dass Jugendliche in genau demselben Ausmaß politisch interessiert oder desinteressiert sind wie Erwachsene auch.

 

8. "Junge Menschen können doch eh in Jugendparlamenten oder ähnlichem mitbestimmen"

Jugendparlamente sind oft Pseudoparlamente, die letztlich jedoch keine Kompetenzen haben. In Österreich sind auch die direkten demokratischen Instrumente- Volksabstimmung, Volksbegehren- an die Altersgrenze der Wahlberechtigung zum Nationalrat gebunden.

 

Lesen Sie hier die Brochüre der Bundesjugendvertretung, die zum Erfolg von "Wählen ab 16" in Österreich beigetragen hat.