Europäische Bürgerinitiative

Am 17. Februar 2014 fand im Europaparlament die öffentliche Anhörung jener Europäischen Bürgerinitiative (EBI) statt, der es als erster gelang, die erforderlichen 1 Mio. Unterschriften innerhalb eines Jahres zu sammeln. Die Initiative "Wasser ist ein Menschenrecht" fordert unter anderem einen uneingeschränkten und universellen Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung für alle Menschen sowie den Stopp jeglicher Liberalisierungsversuche von Wasserdienstleistungen in der EU.

Ich gratuliere den Initiatoren von "Wasser ist ein Menschenrecht" zu ihrem großartigen Erfolg, fühle mich aber gleichzeitig veranlasst den Umstand zu kritisieren, dass diese EBI vom Europäischen Gewerkschaftsbund für den öffentlichen Dienst initiiert wurde. Dass derartige öffentlich-politische Institutionen sich eines für die Bürger und die Zivilgesellschaft geschaffenen Instruments bemächtigen, um damit für ihre politischen Interessen zu kampagnisieren, entspricht nicht meinem Grundgedanken der EBI. Wenn sozialpartnerschaftliche Organisationen ein bestimmtes Anliegen durchsetzen möchten, so stehen ihnen die dafür zu Recht geschaffenen Kanäle und Möglichkeiten offen. Die EBI jedoch wurde geschaffen, um jenen eine Stimme zu geben, die bisher gar nicht oder nur kaum auf europäischer Ebene gehört wurden – also der Zivilgesellschaft, die eben auf keine Parteinähe und keine politischen Strukturen zurückgreifen kann.

Kurzum: Die Bürgerinitiative ist für die Bürger gedacht, nicht für Parteiapparate!

 

Trotzdem freue ich mich, dass es neben "Wasser ist ein Menschrecht" auch zwei andere thematisch völlig unterschiedliche Initiativen innerhalb der ersten beiden Jahre der EBI geschafft haben, die nötige Unterschriftenzahl zu sammeln: "Einer von Uns" und "Stop Vivisection".

Dies beweist, dass trotz einiger Geburtsfehler der EBI hinsichtlich bürokratischer und technischer Hürden das neue Instrument und somit auch Bürgerengagement allgemein auf europäischer Ebene möglich sind und funktionieren!

 

Europäische Bürgerinitiative - was ist das?

Mit 1.April 2012 wurde das weltweit erste transnationale Instrument der direkten Demokratie ins Leben gerufen: die Europäische Bürgerinitiative. Durch dieses "Europäische Volksbegehren", das dem Volksbegehren in Österreich sehr ähnlich ist, wird es allen EU-Bürgern künftig möglich sein die Europäische Kommission aufzufordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht der Bürger eines EU-Gesetzes bedarf. Damit bestimmen erstmals SIE mit, was auf der EU-Agenda steht!

Eine solche Europäische Bürgerinitiative muss von einem Bürgerausschuss organisiert werden, in dem sich zumindest sieben EU-Bürger aus sieben unterschiedlichen EU-Mitgliedsstaaten zusammenfinden. Das Gesetz, das von den Initiatoren gefordert wird, muss natürlich in die Zuständigkeit der EU fallen, damit es der Kommission auch überhaupt rechtlich erlaubt ist, ein Gesetz vorzuschlagen.

Eine Bürgerinitiative gilt dann als erfolgreich, wenn

  • mindestens eine Million Unterschriften aus mindestens sieben verschiedenen Mitgliedsstaaten (ein Viertel aller Mitgliedsstaaten) gesammelt wurden;
  • in mindestens sieben Mitgliedsstaaten eine auf Basis der Größe des Landes kalkulierte Mindestschwelle an Unterschriften überschritten wurde (in Österreich zur Zeit 14.250 Unterschriften) und
  • all dies innerhalb maximal eines Jahres erreicht wurde

 

Alle wahlberechtigten EU-BürgerInnen können sich an einer EBI beteiligen (in Österreich alle Wahlbürger ab 16).

Die Schwelle für eine EU-Bürgerinitiative ist somit mehr als zehnmal niedriger als für ein österreichisches Volksbegehren. Für das Gelingen einer EBI müssen 0,01 Prozent der EU-Bürger innerhalb eines Jahres unterschreiben. Für das österreichische Volksbegehren braucht es hingegen 1,2 Prozent der Bürger innerhalb einer Woche.

Erweist sich eine EBI schließlich als erfolgreich, so muss die EU-Kommission innerhalb von drei Monaten ihre rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen dazu bekannt geben. Diese können vom Verzicht auf weiteres Vorgehen bis hin zum Vorschlag eines neuen EU-Gesetzes reichen; in jedem Fall muss die Kommission ihre Entscheidung ausreichend schriftlich begründen. Außerdem wird es den Organisatoren einer erfolgreichen EBI innerhalb dieser drei Monate möglich sein, ihr Anliegen im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im EU-Parlament, welche immer auch vom Petitionsausschuss organisiert wird, den Europa-Abgeordneten genau vorzustellen.

Ich freue mich persönlich, dass mit der neuen Bürgerinitiative die Bürger nun eine noch lautere Stimme in der EU bekommen. Es ist notwendig die Demokratisierung der EU voranzutreiben und die Bürger stärker in den Entscheidungsprozess der EU einzubeziehen. Auch wenn in den ersten Monaten der praktischen Anwendung einige vor allem technische und bürokratische Probleme klar hervortraten, ist und bleibt diese Einrichtung das erste und bisher wichtigste europäische Initiativinstrument der direkten Demokratie, dessen Potential noch bei weitem nicht voll ausgeschöpft ist. Es gilt vor allem die vorhandenen Probleme in der Anwendung durch praktische und legislative Änderungen auszumerzen und insbesondere auch die Bekanntheit der EBI in der Bevölkerung signifikant zu steigern!

Nähere Information zur Europäischen Bürgerinitiative und dazu, wie Sie fortan selbst die Kommission zu einem Gesetzesvorschlag auffordern können, finden Sie auf: http://ec.europa.eu/citizens-initiative/public/welcome?lg=de